Diese Arbeit untersucht die Auswirkungen extensiver Beweidung und Mahd auf die Kohlenstoffsequestrierung in Streuobstwiesen, die eine wichtige Rolle für die Biodiversität spielen. Es wurde festgestellt, dass die Mahd eine signifikant höhere Kohlenstoffbindung ermöglicht. Im Gegensatz dazu führt die Beweidung trotz der Kohlenstoffsequestrierung zu Nettoemissionen. Eine Analyse des direkten Rindfleischkonsums im Zusammenhang mit der Beweidung ergab einen relativ geringen Beitrag zum Pro-Kopf-CO₂-Fußabdruck. Die Ergebnisse unterstreichen die Notwendigkeit einer differenzierten Betrachtung der Bewirtschaftungsformen im Kontext der multifunktionalen Rolle von Streuobstwiesen.
1. Einleitung
Streuobstwiesen sind wertvolle Lebensräume und tragen zur Erhaltung der Kulturlandschaft bei. Neben der Biodiversitätsförderung spielt die Kohlenstoffsequestrierung eine zunehmend wichtige Rolle im Kontext des Klimawandels. Streuobstwiesen kombinieren den Anbau von Obstbäumen mit Grünlandnutzung und bieten potenziell hohe Kohlenstoffspeicher in Gehölzbiomasse und Boden (Nair, 2012). Die Studie (Wiedermann, Hübner, Kilian, & Wiesmeier, 2022) belegt dies eindrücklich mit einem im Mittel um 11,7 % höheren Gesamtkohlenstoffvorrat in Streuobstwiesen (144,8 t C/ha) im Vergleich zu Referenz-Grünlandflächen (127,8 t C/ha). Dieser Mehrspeicher resultiert aus der zusätzlichen Kohlenstoffspeicherung in der Gehölzbiomasse und der erhöhten Kohlenstoffeinlagerung im Boden aufgrund der unterschiedlichen Wurzelsysteme und der reduzierten Bodenbearbeitung. Dieser Beitrag vergleicht die Kohlenstoffsequestrierung unter extensiver Beweidung und Mahd und berücksichtigt nun auch die Methanemissionen bei Beweidung.
2. Material und Methoden
Für den Vergleich werden Modellrechnungen durchgeführt, die auf folgenden Annahmen basieren. Die Herleitung der Werte wird im Folgenden detailliert erläutert:
- Fläche: 1 Hektar Streuobstwiese
- Grundlegende jährliche C-Sequestrierung des Grünlands (ohne Bewirtschaftungseffekte): 0,5 t C/ha/Jahr. Die C-Sequestrierung von Grünland ist stark standortabhängig. Studien zeigen, dass extensiv genutztes Dauergrünland in Mitteleuropa im Durchschnitt zwischen 0,3 und 0,7 t C/ha/Jahr sequestrieren kann (Kulturlandschaftstagung, 2017).
- Kohlenstoffgehalt in der Trockenmasse des Grünlands (Heu): 47,5 % (Vorlop, 2010)
- Zusätzliche C-Sequestrierung durch Gehölzbiomasse: 0,4 t C/ha/Jahr (Wiedermann, Hübner, Kilian, & Wiesmeier, 2022).
- Zusätzliche C-Sequestrierung durch optimiertes Weidemanagement: +0,2 t C/ha/Jahr (Soussana, Tallec, & Blanfort, 2010)
- Methanemissionen der Tiere (bei Beweidung mit 1 GVE): -2,1 t CO₂-Äquivalente/ha/Jahr (basierend auf ca. 75 kg CH₄/ha/Jahr und einem GWP100 von 28, (Soussana, Tallec, & Blanfort, 2010).
- Geerntete Trockenmasse (Heu) bei zweischüriger Mahd: 5 t TM/ha/Jahr (Köhler, Spiekers, Südekum, Staudacher, & Taube, 2016). Um die durch die Mahd entnommene Kohlenstoffmenge zu berechnen, wird die geerntete Trockenmasse mit dem Kohlenstoffgehalt der Trockenmasse multipliziert:
5 t TM/ha/Jahr * 0,475 t C/t TM = 2,375 t C/ha/Jahr
Diese Berechnung zeigt, dass durch die Mahd 2,375 Tonnen Kohlenstoff pro Hektar und Jahr aus dem System entfernt werden. Es ist wichtig zu betonen, dass diese 2,375 t C nicht mit der Sequestrierung im Boden verrechnet werden, sondern die Menge des entnommenen C darstellen. Da der in der geernteten Biomasse enthaltene Kohlenstoff durch die Verwendung als Tierfutter oder in Biogasanlagen im Rahmen des natürlichen Kohlenstoffkreislaufs wieder in die Atmosphäre freigesetzt wird, wird dieser Kohlenstofffluss in dieser Analyse nicht weiter quantifiziert. Analog zur Mahd wird auch bei der Beweidung der durch die Tiere aufgenommene und wieder freigesetzte Kohlenstoff im Rahmen dieser Analyse nicht detailliert quantifiziert, da er ebenfalls Teil des natürlichen Kohlenstoffkreislaufs ist. Stattdessen konzentrieren wir uns bei der Beweidung auf die direkten Methanemissionen der Tiere.
3. Ergebnisse
3.1 Extensive Beweidung auf Streuobstwiese:
- Grundlegende C-Sequestrierung des Grünlands: 0,5 t C/ha/Jahr
- Zusätzliche C-Sequestrierung durch Weidemanagement: +0,2 t C/ha/Jahr
- Methanemissionen: -2,1 t C/ha/Jahr
- Zusätzliche C-Sequestrierung durch Gehölzbiomasse: +0,4 t C/ha/Jahr
- Netto-C-Sequestrierung: -1,0 t CO₂-Äquivalente/ha/Jahr (Netto-Emission)
3.2 Extensive Mahd auf Streuobstwiese:
- Grundlegende C-Sequestrierung des Grünlands: 0,5 t C/ha/Jahr
- Zusätzliche C-Sequestrierung durch Gehölzbiomasse: +0,4 t C/ha/Jahr
- Netto-C-Sequestrierung im Boden: 0,9 t C/ha/Jahr bzw. 3,3 t CO₂-Äquivalente/ha/Jahr
4. Diskussion
Im Fokus dieser Analyse steht der Vergleich der Kohlenstoffsequestrierung im Boden und der direkten Treibhausgasemissionen (Methan bei Beweidung). Der Kohlenstofffluss durch die Ernte und dessen anschließende Freisetzung durch Verwertung wird daher nicht detailliert betrachtet, da er im Rahmen des natürlichen Kohlenstoffkreislaufs stattfindet und für den direkten Vergleich der Bewirtschaftungsformen in Bezug auf die Netto-Kohlenstoffaufnahme im Boden weniger relevant ist.
Die Ergebnisse zeigen einen deutlichen Unterschied in der Treibhausgasbilanz zwischen extensiver Mahd und extensiver Beweidung in Streuobstwiesen. Während die Mahd eine signifikante Netto-Sequestrierung von 3,3 t CO₂-Äq/ha/Jahr erreicht, resultiert die Beweidung unter den getroffenen Annahmen in einer Netto-Emission von 1,0 t CO₂-Äq/ha/Jahr. Dieser Unterschied ist primär auf die Methanemissionen der Weidetiere zurückzuführen, die die Kohlenstoffsequestrierung im Boden und durch die Gehölzbiomasse übersteigen.
Es ist wichtig zu betonen, dass diese Ergebnisse auf Modellrechnungen und bestimmten Annahmen basieren. Die tatsächliche Kohlenstoffsequestrierung und die Methanemissionen können in der Realität variieren. Faktoren wie Standortbedingungen (Bodenart, Klima), Baumart und -alter, Bewirtschaftungsintensität (Tierbesatz, Mahdfrequenz), Tierrasse und Fütterung spielen eine entscheidende Rolle. Daher sind standortspezifische Untersuchungen notwendig, um präzisere Aussagen treffen zu können.
Die Mahd bietet den klaren Vorteil, dass keine direkten Methanemissionen auf der Fläche entstehen. Zudem kann die geerntete Biomasse potenziell genutzt werden, beispielsweise als Futter oder zur Biogaserzeugung. Eine detaillierte Analyse der gesamten Wertschöpfungskette der Mahd (inklusive Ernte, Transport und Nutzung der Biomasse) wäre in weiterführenden Studien sinnvoll, um die vollständige Klimawirkung zu erfassen.
Die Beweidung bietet den Vorteil einer (geringen) direkten Lebensmittelproduktion und potenziell regionaler Wertschöpfung. Die ermittelten Methanemissionen stellen jedoch eine erhebliche Herausforderung dar. Um eine positive oder zumindest neutrale Treibhausgasbilanz zu erreichen, sind deutliche Reduktionen der Methanemissionen erforderlich. Dies könnte durch optimierte Fütterungsstrategien (z.B. Reduktion des Raufutteranteils, Zugabe von Futterzusätzen), angepasstes Weidemanagement (z.B. Kurzrasenweide) und eine Reduzierung der Tierbesatzdichte erreicht werden. Zukünftige Forschung sollte sich intensiv mit der Entwicklung und Erprobung solcher Maßnahmen in Streuobstwiesen beschäftigen.
Verhältnis zur pro-Kopf-CO₂-Emission
Der durchschnittliche Pro-Kopf-CO₂-Fußabdruck in Deutschland liegt bei etwa 10,8 Tonnen CO₂-Äquivalenten pro Jahr. Streuobstwiesen können durch unterschiedliche Bewirtschaftungsformen einen Beitrag zum Klimaschutz leisten, der sich unterschiedlich auf diesen Fußabdruck auswirkt.
Bewirtschaftungsformen im Vergleich:
Beweidung: Ein Hektar Streuobstwiese mit extensiver Beweidung emittiert netto 1,0 t CO₂-Äq/ha/Jahr. Dies entspricht etwa 9 % des durchschnittlichen Pro-Kopf-Fußabdrucks (in negativer Hinsicht, d.h. es werden Emissionen verursacht). Betrachtet man den Konsum des Fleisches der beweideten Tiere genauer, ergibt sich folgendes Bild: Unter der Annahme, dass ein Rind pro Hektar gehalten wird, pro Rind 165 kg verwertbares Fleisch anfallen und der Pro-Kopf-Verzehr bei 9 kg Rindfleisch pro Jahr liegt, trägt der Konsum dieses Rindfleisches mit etwa -55 kg CO₂-Äq/Kopf zum Pro-Kopf-Fußabdruck bei. Dies entspricht etwa 0,5 % der gesamten Pro-Kopf-Emissionen. Es ist wichtig zu betonen, dass es sich hierbei um eine Netto-Emission handelt, da die Kohlenstoffsequestrierung durch die Streuobstwiese bereits berücksichtigt ist.
Es ist wichtig zu betonen, dass die obenstehende Berechnung sich auf den direkten Konsum von Rindfleisch als Nahrungsmittel bezieht. Tatsächlich wird jedoch nicht das gesamte Tier für den menschlichen Verzehr verwendet. Ein erheblicher Teil der Schlachtkörper wird für andere Zwecke weiterverarbeitet, beispielsweise zu Tierfutter oder Industrieprodukten. Durch diese vielfältige Nutzung der Schlachtkörper wird der Gesamtnutzen des Tieres erhöht und der Ressourcenverbrauch optimiert. Dies bedeutet, dass die tatsächliche Umweltbelastung pro konsumiertem Kilogramm Rindfleisch geringer ausfällt, als die reine Betrachtung des Fleischkonsums suggeriert. Die genaue Quantifizierung dieser Effekte ist jedoch komplex und hängt von den jeweiligen Verwertungsketten ab und wurde daher in dieser Analyse nicht berücksichtigt. Dennoch ist es wichtig, diesen Aspekt zu berücksichtigen, um ein vollständigeres Bild der Umweltauswirkungen der Rindfleischproduktion zu erhalten.
Mahd: Ein Hektar Streuobstwiese mit extensiver Mahd sequestriert netto 3,3 t CO₂-Äq/ha/Jahr. Dies entspricht etwa 30 % des durchschnittlichen Pro-Kopf-Fußabdrucks (in positiver Hinsicht, d.h. es wird CO₂ gebunden).
Ändert die Lebensmittelproduktion die Bewertung im Kontext der Biodiversität?
Die Lebensmittelproduktion durch Beweidung ist ein relevanter Aspekt, der jedoch unter den getroffenen Annahmen den negativen Effekt der Methanemissionen auf die Treibhausgasbilanz nicht aufwiegt. Die primäre Funktion von Streuobstwiesen liegt in der Förderung der Biodiversität. Sowohl extensive Beweidung als auch extensive Mahd können bei geeigneter Umsetzung positive Beiträge zur Biodiversität leisten, jedoch auf unterschiedliche Weise. Die Beweidung kann durch den selektiven Fraß und die Trittwirkung der Tiere zur Strukturvielfalt beitragen und bestimmte Arten fördern. Eine zu hohe Besatzdichte kann jedoch negative Auswirkungen haben. Die Mahd, insbesondere mit späten Schnittzeitpunkten, fördert blütenreiche Wiesen und vermeidet Verbuschung, kann aber auch Insekten beeinträchtigen. Ein extensives Management mit angepasster Tierbesatzdichte bzw. späten Schnittzeitpunkten ist daher sowohl bei der Beweidung als auch bei der Mahd entscheidend, um negative Auswirkungen auf die Biodiversität zu minimieren. Unter den gegebenen Umständen und unter Berücksichtigung der deutlichen Unterschiede in der Treibhausgasbilanz rechtfertigt die geringe zusätzliche Lebensmittelproduktion durch die extensive Beweidung die resultierenden zusätzlichen Emissionen nicht.
5. Schlussfolgerung
Die vorliegende Analyse hat die vielfältigen Beiträge von Streuobstwiesen zum Klimaschutz untersucht und dabei insbesondere die unterschiedlichen Auswirkungen verschiedener Bewirtschaftungsformen hervorgehoben. Es konnte gezeigt werden, dass Streuobstwiesen durch ihre Fähigkeit zur Kohlenstoffsequestrierung grundsätzlich einen positiven Beitrag zum Klimaschutz leisten können. Allerdings variiert das Ausmaß dieses Beitrags erheblich in Abhängigkeit von der Bewirtschaftungsform.
Die extensive Mahd hat sich als besonders effektive Methode zur Kohlenstoffbindung erwiesen und kann einen signifikanten Anteil des durchschnittlichen Pro-Kopf-CO₂-Fußabdrucks kompensieren. Im Gegensatz dazu führt die extensive Beweidung trotz der berücksichtigten Sequestrierung zu einer Netto-Emission von Treibhausgasen.
Eine detaillierte Betrachtung des Rindfleischkonsums im Zusammenhang mit der extensiven Beweidung hat jedoch gezeigt, dass der direkte Beitrag zum Pro-Kopf-CO₂-Fußabdruck mit etwa 0,5 % relativ gering ist. Zudem wurde berücksichtigt, dass nicht das gesamte Tier für den direkten menschlichen Verzehr genutzt wird, sondern ein erheblicher Teil anderweitig verwertet wird (z.B. als Tierfutter oder in der Industrie), was die Gesamtbilanz weiter positiv beeinflusst. Eine detaillierte Quantifizierung dieser Effekte wurde aufgrund der Komplexität der Verwertungsketten nicht vorgenommen.
Es ist wichtig zu betonen, dass diese Ergebnisse auf bestimmten Annahmen basieren und als Schätzungen zu verstehen sind. Dennoch verdeutlichen sie die Notwendigkeit einer differenzierten Betrachtung der Bewirtschaftungsformen von Streuobstwiesen. Während die Mahd eindeutig positive Auswirkungen auf den Klimaschutz hat, erfordert die Beweidung eine sorgfältige Abwägung der Vor- und Nachteile. Zukünftige Forschung sollte sich daher auf die Optimierung der Beweidungspraktiken konzentrieren, um die Methanemissionen der Tiere zu reduzieren und die Kohlenstoffsequestrierung im Boden weiter zu fördern. Gleichzeitig sollten die vielfältigen weiteren Ökosystemleistungen von Streuobstwiesen, wie der Erhalt der Biodiversität und die Bereitstellung von Lebensraum für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten, nicht außer Acht gelassen werden. Letztendlich tragen Streuobstwiesen im Rahmen einer multifunktionalen Landwirtschaft zur Nachhaltigkeit bei, auch wenn sie allein nicht den gesamten CO₂-Fußabdruck kompensieren können.